Zwei Jahre nach Dacheinsturz: Bauantrag für Interimdach gestellt – Zukunftskonzepte werden finalisiert

05. Nov 2025

Am 6.11.23 gingen um 12.59 Notrufe bei der Berufsfeuerwehr Kassel ein, dass in der Kirche St. Elisabeth am Friedrichsplatz in Kassel das gesamte Kirchendach eingestürzt sei. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Zwei Jahre später sind die Trümmer beseitigt, Gründe für den nicht vorhersehbaren Einsturz gefunden und werden Perspektiven für die weitere Nutzung erarbeitet.

Sie sollen spätestens Anfang des Jahres der Bistumsleitung vorgelegt werden. Parallel ist ein Büro damit beauftragt, mögliche Nutzungskonzepte wirtschaftlich zu prüfen. „Das Ziel ist, dass Kirche an diesem zentralen Ort der Stadt weiterhin mit den Schwerpunkten pastorale und kulturelle Angebote für die Menschen der Stadt Kassel präsent ist“, so Pfarrer André Lemmer.

Motiviert wird die Arbeit einer Projektgruppe durch eine Umfrage, die hohen Zuspruch und Wertschätzung der Elisabethkirche gegenüber dokumentiert. Jetzt ist der Bauantrag für ein Interimdach gestellt worden, dass zumindest wieder Gottesdienste und Veranstaltungen in der Kirche ermöglicht. Dadurch soll es auch möglich sein, dass im Sommer 2027 wieder eine Begleitausstellung zur documenta möglich wird.

Nachdem das Kirchendach komplett eingestürzt war, konnte kurzfristig ein Notdach installiert werden, das jeweils 20 Meter mit einer Plane und Gerüstelementen überspannt. Da unter den schräg im Kirchenschiff liegenden Dachtrümmern jederzeit weitere Einsturzgefahr bestand, mussten die Teile zuerst von spezialisierten Industriekletterern gesichert, mühsam in Einzelteile zerlegt und schließlich mit aufwändigen Seilkonstruktionen geborgen werden. Erst danach konnten externe Bauexperten die Trümmer auf eine mögliche Schadensursache hin genau überprüfen. Parallel wurden im Labor Proben des seinerzeit verwendeten Leimes untersucht und verschiedenste Berechnungen erstellt. Auch wenn die Dachtrümmer mittlerweile aus dem Kirchenschiff geborgen sind, ist die Elisabethkirche weiterhin eine Baustelle. Ein Gerüst rund um die Kirche trägt ein Notdach, das den Innenraum und die beschädigte Orgel vor weiteren Witterungseinflüssen schützt. Bei der Bosch-Bornefeld-Orgel muss von einem Totalschaden ausgegangen werden. In der Kirche befindliche Bilder von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. wurden ebenfalls beschädigt und im Bistumsmuseum eingelagert. Pfarrer Lemmer: „In der Zeit des Interims werden wir in der Kirche provisorisch leben und uns mit den zerstörten Gegebenheiten arrangieren, bis eine endgültige Lösung gefunden ist.“

Wissenschaftler und Studierende beschäftigen sich mit Kirche

Seit Frühjahr 2024 setzt sich die Steuerungsgruppe „Zukunft Elisabethkirche“ aus Vertretern des Bistums und der Pfarrei Sankt Elisabeth mit Überlegungen auseinander, ob und wie das Gotteshaus am Friedrichsplatz künftig genutzt werden kann. Ideen und Vorschläge sollen unter anderem die Ergebnisse einer Online-Umfrage liefern, an der sich Gemeindemitglieder aber überwiegend Menschen aus Kassel und darüber hinaus beteiligt haben: 1500 Menschen nahmen teil. Die Steuerungsgruppe wertet die Umfrage aus und erarbeitet bis Jahresende mehrere Vorschläge, wie man mit diesem Ort umgehen kann, damit dann konkrete Planungen stattfinden können. Im Ergebnis schlagen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage mehrheitlich über alle Konfessionsgrenzen eine multifunktionale kirchliche Nutzung an diesen zentralen Ort in Kassels Innenstadt vor. Die Bedeutung als Ort für Gottesdienste und Kultur mit einer Öffnung für die Stadtgesellschaft wird deutlich.

Mit der Auswertung wurde „impaekt - Institut von Evaluation und Wirkungsforschung“ beauftragt. Die Geschäftsführerin Dr. Miriam Zimmer (Leitung Kompetenzzentrum Pastorale Evaluation, Zentrum für angewandte Pastoralforschung an der Ruhr-Universität Bochum) stellte die Ergebnisse vor. Herausgestellt werden kann die unerwartet hohe Teilnehmerzahl. Viele haben sehr umfangreich auch offene Fragen beantwortet. „Das allein spricht für eine hohe Relevanz der Kirche bei den Menschen und hohe Wertschätzung über Religionsgrenzen hinweg“, so Dr. Mariam Zimmer.

Mehr als die Hälfte der Befragten betrachtet die Elisabethkirche als stadtbildprägend. Sie wird insbesondere als wichtiger Ort der Religion (45 %) und Kultur (43 %) wahrgenommen – unabhängig von der eigenen Religiosität. Eine starke Resonanz ist bei Jüngeren zu erleben. Befragte unter 25 Jahren empfinden die Kirche häufig als spannend (16 %) und einzigartig (23 %). Knapp die Hälfte der Kirchenmitglieder sieht, unabhängig von der Konfession, die Zukunft der Elisabethkirche in einer Verbindung klassischer kirchlicher Funktionen mit neuen Inhalten. Miriam Zimmer: „Die Mehrheit der Befragten spricht sich für eine multifunktionale Nutzung aus, die religiöse, kulturelle und soziale Aspekte verbindet. Ein einstimmiges Konzept ist nicht erreichbar. Die Steuergruppe muss daher Schwerpunkte setzen und bestimmte Visionen stärker oder schwächer gewichten.“ Zu den positiven Erfahrungen gehört für die Kirchengemeinde Sankt Elisabeth die Solidarität, die man u.a. durch ein Konzert in der Karlskirche erleben konnte. „Vielen Kulturschaffenden haben wir in den letzten Jahren, vor allen in der Coronazeit, Heimat geboten und diese Verbindung wird jetzt sehr wertschätzend weitergeführt und äußert sich in dem Wunsch, dass die Elisabeethkirche wieder ein Ort für den Dialog von Kunst und Kultur mit den Themen des Glaubens und Lebens der Menschen wird“, so Marcus Leitschuh, Mitglieder der Steuerzunspgruppe und Projektleiter für Kultur in der Elisabethkirche.

Auch Schulklassen und die Universität haben sich mit der Zukunft der Elisabethkirche beschäftigt. Fragen nach dem zukünftigen Nutzungskonzept, nach den architektonischen Lösungsmöglichkeiten und dem Umgang mit dem Bestand wurden an der Universität Kassel unter Federführung von Vertr.-Prof. Dr.-Ing. Christoph Palmen in einem Masterprojekt 2025 von Studierneden bearbeitet und präsentiert. Es ging darum, mögliche Nutzungsszenarien zu bestimmen und darauf aufbauend einen Entwurf bis ins konstruktive Detail zu entwickeln - nicht nur ein Beitrag für die Zukunft der Elisabethkirche, sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem Thema Kirchenumnutzungen auf dem Weg zu einer neuen Umbaukultur.

Unterschiedliche Mängel führten zu Einsturz

Laut Darstellung der beauftragten Ingenieure führte ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren dazu, dass die tragende Dachkonstruktion des Kirchbaus von 1959 / 1960 im November 2023 überraschend zusammenbrach. „Der Einsturz lässt sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen“, heißt es in dem Gutachten der Firma „HAZ - Beratende Ingenieure für das Bauwesen“. Die verschiedenen Ursachen seien vorab auch nicht erkennbar gewesen, betonte der geschäftsführende Gesellschafter, Dr. Ing. Ulrich Huster. „Die 63-jährige Standzeit ohne ein besonderes Lastereignis zum Einsturzzeitpunkt lässt den Schluss zu, dass es einen Schadensfortschritt im Laufe der Standzeit gab. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Tragfähigkeit nicht mehr ausreichend war“, heißt es dazu zusammenfassend in dem Gutachten.
Zum einen wurden die Verbindungen im Firstbereich aus heutiger Sicht zur Bauzeit mangelhaft ausgeführt. Zudem müssten die Träger nach dem heutigen Stand der Technik größer dimensioniert sein, als es den Normen der Bauzeit entsprach. Hinzu kommt, dass über Jahrzehnte hinweg witterungs- und konstruktionsbedingte Zusatz-Spannungen in der Dachkonstruktion auftraten – vor allem wegen der vergleichsweise festen Verbindungen zwischen Dachbinder und Stützen.

Alle Informationen findet man auch auf www.zukunft-elisabethkirche.de



Pressekontakt zum Bistum Fulda: kommunikation@bistum-fulda.de
Pressekontakt Pfarrei Sankt Elisabeth: Marcus-Leitschuh@t-online.de

Foto: Marcus Leitschuh
Foto: Marcus Leitschuh